Ein Bericht der Eschweiler Nachrichten vom 15.12.2022:
Eschweiler Rund 14 Monate sind in Claudia Molls zweiter Legislaturperiode als Bundestagsabgeordnete vorbei. Im Gespräch mit unserer Zeitung zieht die Sozialdemokratin aus Eschweiler eine Zwischenbilanz.
Knapp eine Stunde nach dem Gespräch klingelte das Telefon. „Jetzt habe ich das Wichtigste doch glatt vergessen“, sagt Claudia Moll am anderen Ende der Leitung und wirkt dabei fast schon ein bisschen aufgeregt. Dann muss es tatsächlich etwas Wichtiges sein, schließlich ist die SPD-Bundestagsabgeordnete in der Regel ziemlich gelassen unterwegs. Das gilt auch für den kurz zuvor zu Ende gegangenen Termin mit unserer Zeitung in Eschweiler, bei dem Moll über ihre ersten 14 Monate im 20. Deutschen Bundestag berichtet hat. Mit gewohnt deutlichen Worten und in der ihr eigenen unterhaltsamen Art.
Nicht alles soll im Wortlaut wiedergegeben werden. Auch wenn Claudia Moll, die an diesem 15. Dezember 54 Jahre alt wird, damit kein Problem hätte, wie sie betont. Um aber am Ende des Tages nicht Auslöser einer Krise in der Berliner Ampelkoalition zu sein, bleiben wir an dieser Stelle und in diesem Punkt mal allgemein. Und halten einfach fest, dass Moll zur ausgeprägten Beliebtheit von Außenministerin Annalena Baerbock ihre eigene Meinung hat…
Von schlechter Stimmung deswegen oder aus anderen Gründen will die Eschweilerin, die sich am 26. September 2021 im Wahlkreis Aachen II zum zweiten Mal das Direktmandat gesichert hatte – wenn auch nur mit hauchdünnem Vorsprung vor CDU-Newcomerin Catarina dos Santos – nichts wissen. Anders lautende Meldung bezeichnet sie schlichtweg als „völligen Quatsch“. Und stellt klar: „Das sieht von außen vielleicht manchmal so aus. Aber wenn es tatsächlich so wäre, würde das mit der Koalition gar nicht funktionieren.“
Lesen Sie auchIst seit gut einem Jahr Abgeordnete
„Überraschend und historisch“ : Catarina dos Santos‘ erste Bilanz aus dem Bundestag Als Catarina dos Santos Ende September 2021 in den Bundestag gewählt wurde, ahnte sie noch nicht, was auf sie zukommen würde. Im Gespräch mit unserer Zeitung blickt sie auf ein außergewöhnliches erstes Jahr zurück.Tut es aber, unterstreicht Moll. Insbesondere im Gesundheitsbereich, in den sich die examinierte Altenpflegerin schwerpunktmäßig einbringt, sei die Zusammenarbeit „wunderbar“. Natürlich würde es auch schon mal knirschen im Berliner Gebälk. „Aber dabei geht es nie um etwas, das die Koalition ins Wanken bringen könnte.“
Würde die CDU der Mehrheit angehören, wäre das vermutlich anders. Auch nach dem zwischenzeitlich erzielten Kompromiss zum Bürgergeld gerät Claudia Moll spürbar in Rage, wenn sie auf das Thema zu sprechen kommt. „Die CDU hat da großen Populismus betrieben“, kritisiert die Sozialdemokratin und fragt empört: „Wie kann man auf jemanden neidisch sein, der noch weniger hat als ich.“ Ein Großteil derer, die Hartz-IV-Bezieher sind, seien „Alte, Kranke oder Frauen, denen man in den 1970er Jahren noch gesagt hat, dass sie nicht arbeiten dürfen“. Und: „Man hätte ja konstruktiv diskutieren können. Aber stattdessen wurde eine Sau durchs Dorf getrieben.“
Claudia Moll ist überzeugt: Man muss mit den Menschen sprechen, um nachvollziehen zu können, wie es im wahren Leben aussieht. Oder eigene Erfahrungen gesammelt haben, was sie aber niemandem wünsche. „Ich weiß, wie es ist, wenn man am 25. des Monats nachrechnen muss, ob das Geld noch zum Einkaufen reicht.“ 15 Jahre lang war die Eschweilerin beim SKM in Aachen beschäftigt. „Da habe ich alles gesehen. Vom Anwalt bis zum Straßenpenner. Man kann sehr schnell sehr tief fallen in unserer Gesellschaft. Deshalb sollte sich auch niemand über diejenigen erheben, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind.“
Am vergangenen Montag hat sich die Bundestagsabgeordnete im Berliner Gesundheitsausschuss um ein anderes Schwerpunktthema gekümmert. Dort ging es um die mögliche Gestaltung der Pflegereform, die ihr als offizielle Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung besonders am Herzen liegt. Nach den ersten Verhandlungen könne sie noch nicht einschätzen, wie die Reform am Ende aussehen wird. „Ich hoffe aber, dass es eine große geben wird. Denn die ist wirklich dringend nötig.“
Und dann erzählt sie am Telefon das, was sie im persönlichen Gespräch vergessen hatte. „Mir ist ganz wichtig, dass die pflegenden Angehörigen entlastet werden“, sagt die Sozialdemokratin. In diesem Sinne bemüht sich Moll derzeit um die Einrichtung eines Pflegehotels in der Eifel, in dem pflegende und zu pflegende Menschen gemeinsam Urlaub machen können. Mit der Städteregion Aachen hat sie nach eigener Aussage bereits erste Gespräche geführt. „Im nächsten Schritt werde ich nun auf die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister zugehen“, kündigt Claudia Moll an.
Lesen Sie auchDazu gehört auch Nadine Leonhardt aus ihrer Heimatstadt Eschweiler. Für sie bricht Moll die sprichwörtliche Lanze und geht hart mit denjenigen ins Gericht, die Leonhardt – unter anderem im Zusammenhang mit der Planung für das Rathausquartier und dem Bau der Notunterkünfte an der Hüttenstraße – verbal attackiert haben. „So etwas würde man nicht mit einem Mann machen“, ist Moll überzeugt. Und: „Was im Stadtrat passiert, ist teilweise unterste Schublade. Und dabei geht es fast ausschließlich um Dinge, die die Bürgermeisterin gar nicht zu verantworten hat, weil die Ursprünge in der Zeit vor ihrem Amtsantritt liegen.“ Für die Zukunft hat sie eine Bitte: „Wir sollten gemeinsam nach vorne schauen. Denn es gibt wirklich genug zu tun.“
In erster Linie bezieht sie das auf den Strukturwandel, der für sie als Abgeordnete aus Eschweiler hohe Priorität genießt. „Da muss deutlich mehr Tempo rein. Bis zum Ende der Braunkohle im Jahr 2030 ist es nicht mehr lange.“ Viele Entscheidungen dazu würden auf Landesebene getroffen. Betroffen aber seien die Menschen vor Ort. „Im Grunde sind wir schon mittendrin im Strukturwandel. Deshalb bin ich im ständigen Austausch mit RWE, den Gewerkschaften, den Betriebsräten und den Verantwortlichen in den Anrainerkommunen.“
Lesen Sie auchEin Stück weiter sieht sich Claudia Moll derweil schon beim Propsteier Wald. „Für mich ist es besonders schön, dass das Gelände Mitte 2023 für die Öffentlichkeit zugänglich und als Naherholungsgebiet nutzbar gemacht wird“, verbucht die Bundestagsabgeordnete dies aufgrund ihres Einsatzes für das Vorhaben als persönlichen Erfolg. Ebenso wie die Restaurierung der evangelischen Dreieinigkeitskirche in Eschweiler, die Förderung der Alsdorfer Kunstschule und die bessere Erschließung des innerstädtischen Erholungsgebietes „Gehlens Kull“ in Stolberg.
„Solche Erfolge machen natürlich Spaß“, freut sich Moll. Aber auch unabhängig davon gelte das für ihre Arbeit als Abgeordnete. Deshalb hält sie schon mal frühzeitig fest: „Solang ich für diesen Job brenne, werde ich weitermachen.“ Was konkret heißen soll: „Bei der nächsten Bundestagswahl trete ich noch einmal an.“
Die ihr so wichtige Pflegereform soll nach dem Willen der Eschweilerin dann allerdings bereits auf den Weg gebracht sein. Kompromisse dürfe es in dieser Sache nicht geben „Das steht so im Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode. Und darauf werde ich alle drei Fraktionen festnageln.“
Der Artikel der Eschweiler Nachrichten v. 15.12.2022
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